In den Neunzigern war Power-Wrestling bei den großen Tour von WWE (WWF) stets ganz dicht dran! Wir veröffentlichen Original-Erlebnis-Berichte von Wolfgang Stach aus dieser Zeit. Im achten Teil geht es um die WCW-Konkurrenz.
Falls du die Reihe chronologisch lesen möchtest, findest du hier den ersten Teil.
Kurz vor der Federation kam im März 1994 auch World Championship Wrestling. Die zweite Tour der Promotion mit zahlreichen Terminen (8.3. in Ludwigshafen, 9.3. in Köln, 11.3. in Halle, 12.3. in Dresden, 13.3. in Kassel, 14.3. in Rostock, 16.3. in München, 17.3. in Hof, 18.3. in Frankfurt, 19.3. in Würzburg, 20.3. in Hamburg).
Hier die überlieferten Ergebnisse vom Finalabend in der Sporthalle: 2 Cold Scorpio & Marcus Alexander Bagwell bes. Paul Orndorff & Paul Roma; Ricky Steamboat bes. WCW TV-Champion Lord Steven Regal in einem Non-Title Match; Johnny B. Badd & Maxx Payne bes. Harlem Heat; WCW World Champion Ric Flair bes. WCW US-Champion Steve Austin; Europan-Cup-Finale: Sting bes. Vader mit einem Splash von den Ringseilen. Wolfgang nahm die beiden Touren in einem Monat her für einen Quervergleich, der Artikel trug diese Überschrift in „WFA Power-Wrestling 2/1994“:
Mitte März war es soweit: Die WCW kam das zweite Mal auf Deutschland-Tour. Gespannt waren viele auch darauf, ob die Zuschauerzahlen diesmal besser würden, als bei der vergangenen Tour. Insgesamt kann die WCW, glaube ich, zufrieden sein. Zwar kommen nicht so viele Leute wie bei der WWF in die Hallen, doch die Tendenz ist steigend.
Und wenn die Leistungen beibehalten werden, dann kann sich die WWF wahrscheinlich über kurz oder lang warm anziehen. Besonders dann, wenn, wie hinter den Kulissen durchsickerte, niemand anderes als Hulk Hogan Mitte des Jahres mit auf Tour kommt.
Was mir am stärksten auffiel, ist die Lockerheit der WCWler im Umgang mit den Fans. Entschuldigend für die WWF muss aber hinzugefügt werden, dass in den Hotels maximal ein Drittel bis die Hälfte der Fans waren, die sonst die WWF-Hotels bevölkern. Dann fällt einem der lockere Umgang sicherlich leichter. Je nach Teilnehmer geht es aber auch bei der WWF sehr locker zu.
Besonders erstaunlich war aber der Wandel eines Ric Flair. Bei der WWF hatte er eine unnahbare Arroganz aufgesetzt. Bei der WCW dagegen lief er in guter Stimmung stets quer durch die Lobby und die Bar, setzte sich von sich aus zu den Fans den Tisch und plauderte munter drauflos.
Ein Leon White (Vader) nahm sich sofort ein kleines Mädchen (so zwischen acht und zehn Jahren alt), das von ihm ein Autogramm wollte, auf den Schoß und schäkerte mit ein paar Worten Deutsch, die er spricht, mit ihr rum. Als er dann wissen wollte, wen sie noch gut findet (die Mutter übersetzte brav, wenn die Sprachhindernisse zu hoch wurden), sie Maxx Payne sagte, schnappte Vader sie sich auf die Schulter und marschierte zu Darryl, wie Maxx ja wirklich heißt. Der ging dann aus der vollen Bar brav in die Lobby, ließ sich mit dem Kind fotografieren und ulkte mit ihm herum.
Auch die absoluten Bösewichte erfüllten brav lächelnd aber auch jeden Autogrammwunsch.
Zwar macht dies auch der Großteil der WWF-Heels, aber teilweise leider nicht in der gleichen lockeren und freundlichen Art (was aber zum Teil auch oft „von oben“ angeordnet ist).
Auch die Öffentlichkeitsarbeit der WCW-Offiziellen ist vorbildlich. (Um hier Missverständnissen vorzubeugen, muss gesagt werden, dass die deutschen Promoter natürlich weisungsgebunden von der WWF und der WCW sind und nur das tun können, was von diesen erlaubt wird; so liegt es dann nicht an Mama Concerts, wenn viele Wünsche der Medien unberücksichtigt bleiben).
So erlaubt die WWF rigoros professionelle Fotos nur von den ersten beiden Kämpfen – und auch diese nur aus einer Entfernung zwischen zehn und dreißig Metern (je nach Örtlichkeit).
Dagegen erlaubt die WCW grundsätzlich Fotos und Filmaufnahmen der ersten beiden Kämpfe aus der Ringabsperrung heraus. Die restlichen Kämpfe dürfen dann von einer weiter entfernten Position aufgenommen werden.
Einige Fotografen, die sich als vertrauenswürdig herausgestellt haben und die sich an Absprachen halten, durften dann sogar alle Kämpfe vom Mattenrand innerhalb der Absperrung aufnehmen. Inzwischen darf man sogar, wie die offiziellen WCW-Fotografen, auch direkt vom Ring aus fotografieren, darf sich im Gegensatz zu denen dort aber nicht ständig aufhalten, sondern muss zwischenzeitlich wieder zum Mattenrand zurück. Dass die Fotos, die ich dort schießen konnte, natürlich qualitativ weitaus besser sind als bei der WWF, braucht nicht extra betont zu werden.
Überhaupt sind die Kämpfe teilweise eine reine Augenweide. Die Aufeinandertreffen von Sting und Vader etwa zeigten hochklassige Kämpfe. Doch auch alle anderen, ganz egal, wie sie heißen mögen, zeigten ihr Bestes. Die Veranstaltung in Frankfurt etwa war sicherlich weit besser als mancher PPV der WCW in den USA!
Dagegen bestehen die Kämpfe der WWF immer mehr aus Showelementen. Wie bereits in der Ausgabe 6/1993 dargestellt, darf man dieses aber nicht als Maßstab nehmen, da die WWF eben klar die Show in den Vordergrund stellt und sich damit an ein anderes Publikum richtet als die WCW (wenngleich es dort sicherlich auch viele Überschneidungen gibt). Und showmäßig kann der WWF bei weitem niemand das Wasser reichen. Auf diesem Gebiet nehmen sie einsam eine wohl auch nicht einholbare Spitzenstellung ein!
Des Weiteren bleibt festzuhalten, dass die Presseleute der WCW weitaus lockerer als viele der WWF sind. Man wird problemlos zu ihnen durchverbunden, man wird herzlich begrüßt und es wird versucht, alle Sonderwünsche so gut wie möglich zu erfüllen und geht alles nicht so bürokratisch zu wie bei der WWF. Wagt man dort einmal, unbequeme Fragen zu stellen, wird einem dies schon negativ vermerkt. Es gibt natürlich auch in der WWF große Ausnahmen, wie etwa Tony Garea, der sicherlich der netteste US-Offizielle ist, den ich bisher kennengelernt habe.
Zwar rennen auch die WCW-Presse-Offiziellen während der Veranstaltung im Anzug rum, sobald sie aber im Hotel sind, wird sich in legere Kleidung hineingeworfen und dann an der Bar gemütlich Small Talk gemacht. Hierbei möchte ich mich besonders bei Alan Sharp von der WCW bedanken. War das Verhältnis zu Michael Weber schon gut, so kann man das zu Mr. Sharp als ausgezeichnet beurteilen!
Auch die Pressetermine gehen viel lockerer zu. Dort tritt dann Maxx Payne schon einmal zu einem „Kampf“ gegen den Lokalreporter einer Boulevard-Zeitung an, bei Schreinemakers wird relativ offen geplaudert, und Fernsehteams (wie das der „Reporter“ von „Pro 7“) dürfen in den Bussen mitfahren.
Bei den WCW-Fernsehshows werden dann auch schon einmal Backstage-Karten verlost. Wer gesehen hat, mit welch strahlenden Augen die Kids samt ihren Eltern dort stehen, ihre Idole bewundern und die Augen immer größer werden, wenn sie von diesen auf den Arm genommen werden oder mit ihnen herumgealbert wird, dann kann man der WCW zu dieser Idee nur gratulieren.
Die WWF handelt dagegen eher nach dem Motto „Wer sich rar macht, macht sich interessant und die Leute neugierig“. Auch dies ist sicherlich richtig, doch läuft man dadurch auch Gefahr, irgendwann einmal von einer Promotion wie der WCW, die sich sehr fannah gibt, eingeholt oder sogar überholt zu werden.
Gut ist von der WCW sicherlich auch, dass mit Olli M. ein deutscher Ringsprecher zumindest einen Teil der Kämpfe ansagt bzw. von den Ringern auch selber in die Auseinandersetzung miteinbezogen wird. Carsten im Ring wäre sicherlich besser, als immer nur seine Stimme aus dem Lautsprecher zu hören und englischsprechende Ringsprecher im Seilgeviert zu haben.
Auch das Merchandising ist dem „normalen“ Fan preislich angepasst. Ein Programmheft für zehn Mark, ein Kalender für 15 Mark, T-Shirts für 25 Mark sind sicherlich faire Preise. Dagegen sind 25 Mark für ein Programm einer Veranstaltung, die sich hauptsächlich an Kinder und Jugendliche richtet, schon fast eine Unverschämtheit. Und wer soll 50 Mark für ein T-Shirt oder 25 Mark für eine Bret-Hart-Brille bezahlen?! Zwar gibt es hiervon genug, nur hat dies meines Erachtens mit einer fairen Preisgestaltung nichts mehr zu tun, sondern wird die Verehrung der Fan-Idole schamlos ausgenutzt!
Abschließend noch ein Wort zum WCW-Magazin. Letztendlich ist sicher auch von diesem keine rein objektive Berichterstattung zu erwarten. Auch das WCW-Magazin ist insgesamt gesehen nichts anderes als ein Werbe-Magazin eben für die WCW. Kritische Stellungnahmen zu Ringern sind dabei ebenso wenig zu erwarten, wie etwa ein Verriss eines schwachen PPVs.
Nur wird dort nicht ganz so übertrieben und wird wenigstens etwas versucht, auch Stärken und Schwächen der einzelnen Catcher halbwegs objektiv darzustellen. In Leserbriefen wird sogar auch mal die WWF erwähnt – umgekehrt eine Unmöglichkeit im WWF-Magazin. Und man scheut sich auch nicht, so wie im ersten Heft, ein Gruppenbild aller WCWler abzudrucken, wo Böse und Gute nebeneinanderstehen und sich sogar schon einmal in den Arm nehmen (wie Bagwell und Vader).
Fazit: Die WCW kann man mit Fug und Recht als die derzeit fannäheste US-Wrestling-Promotion bezeichnen. Was dort für die Fans und auch die Medien getan wird, ist schon fast als ideal zu bezeichnen. Die WWF spielt dagegen etwas die schöne Unnahbare. Wie diese vielleicht trotz ihrer Schönheit für immer alleine sein kann, so kann es auch für die WWF einmal ein böses Erwachen geben, denn eine gute Pressearbeit zahlt sich in kritischen Zeiten immer aus (und man sieht, was die WWF derzeit in den USA für eine Presse hat!).
Aber eines darf man nicht vergessen: Die WWF ist (und bleibt wohl zumindest auch in der näheren Zukunft) unbestritten die Nummer 1. Von daher kann sie sich natürlich auch ein ganz anderes Auftreten erlauben. Auf die Fußball-Bundesliga umgemünzt: Ein FC Bayern München kann sich sicherlich ein anderes Auftreten erlauben als etwa Dynamo Dresden oder – noch extremer – Fortuna Düsseldorf.
Und solange es noch genügend Leute gibt – und die gibt es zu Genüge! –, die diese horrenden Preise zahlen, solange wäre die WWF dumm, wen sie weniger verlangen würde. Ob es mittel- bis langfristig nicht besser wäre, sich langsam aus dem Hochpreissegment zu lösen und die Preise langsam zu senken, steht auf einem anderen Blatt. Doch bisher hat es Vince ja immer wieder geschafft, die Trends zumindest einigermaßen richtig zu erkennen – und dies darf man wohl auch in der Zukunft erwarten!
Die "On Tour With WWE"-Reihe mit den Erlebnissen aus den frühen Neunzigerjahren besteht aus insgesamt 10 Teilen, die wir hier auf Power-Wrestling.de in nächster Zeit wiederveröffentlichen. Folge uns auf einem der nachfolgend genannten Kanäle, um den nächsten Teil nicht zu versäumen.
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