Mit etwas Abstand: Wie bewertest du deine Ansage auf Twitter an deine WrestleMania-Gegnerin Charlotte?
Mein Twitter-Kommentar kam einfach von Herzen. Es war damit nicht mein Anliegen, Charlotte in irgendeiner Weise zu diskreditieren. Sie hat ganz offensichtlich hart gearbeitet, seit sie hier ist. Und sie ist in dieser Zeit so erfolgreich geworden. Charlotte hat ganz klar neue Höhen erreicht.
Das meinen Kommentar angeht: Der ist einfach echt, so fühle ich mich. Ich weiß nicht, was der Auslöser war, der mich dazu brachte, aber nach ihrer Promo hatte ich einfach das Gefühl, mich mit ein paar Worten auf Twitter äußern zu müssen.
Du hast über das Training im Performance Center geschrieben. Auch darüber, dass du fast aufgegeben hättest …
Das Training ist fantastisch, da will ich nicht falsch verstanden werden. Es ist die beste Einrichtung dieser Art auf der Welt. Wir haben großartige medizinische Betreuung, herausragende Coaches. Alles, was du dir überhaupt vorstellen kannst. Mein größtes Problem ist meine psychische Stabilität. Die war schon nicht stark als ich noch jünger war, ich hatte viele Probleme. Dann ins Performance Center zu kommen, so weit weg von Familie, Freunden und meinem Zuhause, den Gedanken zu haben, nicht so gut zu sein, wie ich sein könnte, und das auch gesagt zu bekommen, das ist mir nahegegangen.
Ich habe einige Male darüber nachgedacht aufzugeben. Es sind einige Tränen geflossen. Am Ende des Tages ist das aber Sport auf einem Wettbewerbslevel. Das passiert mit dir in jedem Sport, deine Trainer werden hart zu dir sein. Du musst einfach lernen, damit klarzukommen. Du musst taff genug sein, das auszuhalten. Diejenigen, die die Stärke haben, dem zu widerstehen, sind auch diejenigen, die am Ende Erfolge feiern. Und darum schaffe ich es auch. Weil ich weiß, dass ich widerstandsfähig bin. Ich kann alles durchstehen. Deshalb bin ich an diesem Punkt angekommen, deshalb bin ich Women’s Champion und deshalb fahre ich zu WrestleMania.
„IN AUSTRALIEN WURDE UNS KAUM HOFFNUNG GEMACHT“
Als ich damals mein erstes Tryout bei Riot City Wrestling hatte, meinten viele der Teilnehmer, sie würden es bis zu WWE schaffen wollen. Uns wurde gleich gesagt, die Chancen dafür seien extrem klein. Weil wir in Australien kaum Beachtung aus den USA fanden. Das war natürlich unschön, hat sich mittlerweile aber klar geändert. Ich hatte zu Beginn natürlich auch den Traum, sah es aber nicht als realistisch an, bei WWE zu landen.Es mittlerweile aber mit dem Wissen geschafft zu haben, dass auch die australische Wrestling-Szene täglich weiter wächst, ist ein schönes Gefühl. Wir haben tolle Athleten in Australien und mittlerweile auch so viele Australier hier, das genieße ich jede Sekunde. Ich freue mich darüber, wenn wir gemeinsam unseren Traum wahr werden lassen können. Aber ja, das war ein großer Schritt aus dem kleinen Adelaide in Süd-Australien. Zumal ich gerade 16 war und mit 20 hierhin gezogen bin, eine wahnsinnige Erfahrung.[caption id="attachment_7441" align="aligncenter" width="696"]
Ich liebe NXT UK und habe die Zeit dort echt genossen. Es hat Spaß gemacht, praktisch die Frauen-Division und die Brand im Generellen mit aufzubauen. Der Wechsel von NXT UK zu NXT war natürlich eine tolle Sache für mich. Manchmal wünsche ich mir, immer noch ein Teil von NXT UK zu sein. Weil ich dort gern hingereist bin und mit allen sehr gut zusammengearbeitet habe. Jeder dort arbeitet so hart für die Show. Aber ich hatte so ziemlich alles erreicht, meine Zeit dort war vorüber. Zudem kamen neue Frauen hinzu, so dass es nur angebracht war, meinen Platz für eine andere herzugeben.Dann bei NXT durchzustarten, hat sich für mich wie ein frischer Start angefühlt. Direkt am ersten Abend bin ich rausgegangen und habe die Konfrontation mit Shayna Baszler und ihren beiden Muppets gesucht. Das war echt cool. Auch wenn ich NXT UK vermisse, bin ich über den Wechsel froh. Andernfalls hätte ich nicht diesen Punkt in meiner Karriere erreicht.Das Gefühl kann ich nicht wirklich in Worte fassen. Es war magisch, einfach unglaublich. Elektrisierend. Ich kann damit jedes positive Gefühl in Verbindung bringen. Ich stand erstens im Main Event, konnte zweitens gegen Shayna antreten und drittens auch noch die NXT Women‘s Championship gewinnen. Das war eine Nacht, die ich niemals vergessen werde. Ich bin einfach so dankbar dafür.Obwohl sie mir zum Teil ordentlich in den Hintern getreten hat, habe ich es echt genossen, das Match mit Shayna machen zu können. Hinzu kam das lautstarke Publikum, sie waren den ganzen Abend voller Begeisterung und am Ende richtig glücklich für mich. Das hat es noch besonderer gemacht. Die Möglichkeit, den Abend mit den Fans zu feiern, war magisch. Das ist das Wort, auf das ich mich heute festlege. Ich war zwar schon eine Weile nicht mehr in einem Moshpit. Aber die Feierlichkeit nach dem Match hat sich wie ein Moshpit angefühlt – ich habe jede Sekunde genossen!Um ehrlich zu sein, war das nie wirklich ein Thema, bis plötzlich darüber gesprochen wurde. Meines Wissens heißt es weiterhin NXT Women’s Championship. Auch, weil es viel Aufsehen auf Social Media gab. Mir persönlich ist es egal, ob die Bezeichnung so oder so lautet. Das ist für mich keine große Sache. Wenn sie es unbedingt deutlicher trennen wollen, weiß ich nicht, was dagegen spräche, bei den Männern einfach „Men’s“ mit auf den Titel zu schreiben. Ich habe eines Tages eine Nachricht erhalten, dass ich bei Raw sein müsse. Und ich dachte nur: ‚Oh! Das wird bestimmt cool.‘ Ich hatte ja schon über Social Media mitbekommen, dass viele Fans forderten, Charlotte solle mich herausfordern. Die Leute wollten nicht schon wieder sehen, wie sie gegen Becky oder Bayley antritt. Mir war also klar, dass die Leute online darüber sprachen. Nur hielt ich es nicht für möglich, dass sie daraus wirklich etwas ergeben würde. Als ich dann den Hinweis für Raw erhielt, wurde aber die Hoffnung größer – und schließlich kam es ja auch so.Ich selbst war bisher erst bei einer WrestleMania zu Gast, das war vergangenes Jahr. Der Gedanke, nun bereits auf der Card zu stehen und dann auch noch in einem Match gegen Charlotte Flair … es ist total verrückt, allein darüber nachzudenken![caption id="attachment_7439" align="aligncenter" width="696"]
„TRIPLE H WAR DER GRUND, WARUM ICH MIT DEM WRESTLING ANGEFANGEN HABE“
Du bekommst bei WWE den Support von ganz oben, das Management steht ganz offensichtlich dahinter, dir bereits jetzt den großen Spot bei der Show der Shows zu geben. Wie denkst du darüber?
Der Gedanke, dass so viele Personen aus der Führungsriege so positiv über mich denken, ist echt unglaublich. Gerade wenn man bedenkt, dass ich aus Australien komme, wo Wrestling eben keine große Nummer war. Triple H ist der Grund, warum ich überhaupt mit dem Wrestling begonnen habe, zu ihm habe ich aufgeschaut. Jetzt habe ich ihn, Vince McMahon und Paul Heyman. Sie glauben an mich. Es gefällt ihnen, was ich beizutragen habe. Das ist ein wunderbares Gefühl, auch wenn ich es nicht ganz in Worten zum Ausdruck bringen kann. Aber die Zeit und die harte Arbeit, Blut, Schweiß und Tränen, alle Mühen, die ich in das Business gesteckt habe, das zahlt sich aus.
Eine andere junge Frau, die ebenfalls so erfolgreich werden möchte, ist The Rocks Tochter Simone Johnson. Was sagst du zu ihrer WWE-Verpflichtung?
Ich freue mich total für Simone, sie ist eine meiner engen Freundinnen. Ich bin glücklich darüber, dass sie mit uns hier im Performance Center ist. Was ich ihr immer sage, wenn ich sie sehe: Ignoriere das Drama und bleib einfach in deiner eigenen Spur, arbeite so hart du kannst und gib immer dein Bestes. Werde so erfolgreich, wie es dir dein eigenes Talent ermöglicht. Und versuche das bestenfalls sogar zu toppen. Sie soll einfach nur möglichst die Dinge ignorieren, die jeder Sport auf einem so hohen Level mit sich bringt. Das Theater und das Gerede. Ich versuche, dass sie das möglichst nicht an sich herankommen lässt.
Und was ist deine Nachricht an alle jungen Menschen da draußen, die von einer ähnlichen Karriere träumen wie du sie nun lebst?
Meine Message lautet immer: Wenn du davon träumst, etwas zu tun und du es auch tun willst, dann mach es einfach. Hör nicht auf Leute, die Dinge hassen wollen, die du aber liebst. Solche Leute brauchst du in deinem Leben nicht. Wenn es dein Wunsch ist, ein Wrestler zu werden, dann fang an daran zu arbeiten. Du musst ins Gym, in die Wrestling-Schulen, trainiere so hart du kannst und erreiche jedes einzelne Ziel, das du dir setzt. Das wird dir nicht in den Schoß fallen, deshalb musst du dafür alles geben.
Es gehört dazu, dafür zu arbeiten, zu scheitern, dann wieder auf die Beine zu kommen und weiterzumachen. Die Freude kommt, wenn du Erfolge feierst. Dabei ist es egal, wie oft du scheiterst. Wrestling wird dich an dein Limit bringen. Du musst dich dadurch kämpfen. Hör nicht auf die, die dir etwas anderes einreden wollen. Wenn du es liebst, dann kannst du es auch packen.
Christian Bruns