AEW unter Druck: Backstage-Chaos und miese Tricks von WWE

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Donnerstag, 25 August 2022 um 14:08
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Bei All Elite Wrestling brennt es unterm Dach! Page und Punk hassen sich vor den Kameras. Backstage fliegen die Fäuste. Bei den Frauen gibt’s ungeahnten Beef. Und WWE spielt ein mieses Spiel. Tony Khan muss handeln: So chaotisch läuft’s derzeit bei AEW!

Im Sommer 2021 war noch alles anderes. Genau vor einem Jahr hatte AEW gerade CM Punk verpflichtet und mit seinem Comeback in Chicago einen ikonischen Wrestling-Moment kreiert. Wenige Tage später folgte der Start von Bryan Danielson. Wiederholt ausverkaufte Shows in Chicago, dann sogar über 20.000 Zuschauer im Arthur Ashe Stadium, dem New Yorker Tennis-Tempel.
Doch dieser Höhenflug scheint längst vergangen. Während WWE unter neuer Leitung an Fahrt aufnimmt, droht die lange von vielen Fans gefeierte Wrestling-Alternative AEW mehr und mehr im Chaos zu versinken.
Am Mittwoch rief AEW-Chef Tony Khan vor „Dynamite“ in Cleveland (Ohio) den gesamten Kader zu einem Meeting zusammen. Khan nutzte die Gelegenheit, um die Wogen im Team glätten.
Bereits Anfang August hatte Khan das Management-Team in seiner Wrestling-Promotion anders strukturiert und neue Positionen besetzt. So will man die Möglichkeit schaffen, weitere Ansprechpartner für die Talente zur Verfügung zu stellen und insgesamt die Kommunikation zu stärken.

ÄRGER ZWISCHEN „HANGMAN“ PAGE UND CM PUNK

Unterdessen zieht sich die schlechte Stimmung durch den gesamten Kader und bis ganz an die Spitze der Promotion.
Für Verwunderung sorgte der Auftritt von CM Punk vor einer Woche, der zu Beginn seines Segments „Hangman“ Adam Page in die Halle rief und ihm ein Rück-Match um den AEW-World-Titel anbot. Page erhielt ein paar Sekunden Zeit, um in den Ring zu kommen. Doch er erschien nicht. Der Champion bezeichnete seinen Vorgänger daraufhin als Feigling.
Wie sich hinterher herausstellte, hatte Punk hier seine eigene Story kreiert. Er wollte Page ganz offensichtlich in einem schlechten Licht dastehen lassen, denn sein Erscheinen war an dieser Stelle nie beabsichtigt.
Punk stellte Page damit eine Quittung aus – für die Kommentare, die „Hangman“ bei der Live-Ausgabe von „Dynamite“ vor „Double or Nothing“ im Mai 2022 CM Punk ins Gesicht gesagt hatte. Punk sei ein Eindringling, er müsse AEW vor jemandem wie ihm schützen.
Page erklärte damals: „Das Verhalten abseits des Rings, wenn die Kameras nicht mehr laufen, macht einen Champion aus.“ Doch ein solches Verhalten würde Punk nicht an den Tag legen. Vielmehr implizierte er, der frühere WWE-Superstar wäre für eine immer mieser werdende Backstage-Atmosphäre verantwortlich.
Hinter vorgehaltener Hand ging es speziell um Punks früheren Weggefährten Colt Cabana. Beide Männer waren einst ganz dicke, dann zerbrach die Freundschaft an horrenden Anwaltskosten nach der Klage eines WWE-Arztes, der seinen Ruf durch Punks Aussagen im damaligen Cabana-Podcast ruiniert sah.
Cabana arbeitete zum AEW-Eintritt von Punk bereits für die Promotion. Während der frühere WWE-Superstar dann auftrumpfte, verschwand Colt aus seiner TV-Rolle bei der Dark Order und wurde im luftleeren Ring-of-Honor-Kader geparkt. Viele Beobachter waren der Meinung, Punk hätte für die Cabanas Degradierung gesorgt. Ganz besonders der „Hangman“ nahm daran Anstoß.
Die Kommentare von Page über Punk bei „Dynamite“ im vergangenen Mai wirken auf den Zuschauer verwirrend, war CM bisher doch als klares Babyface präsentiert worden. Und auch vor einer Woche kam Punks Herausforderung an den „Hangman“ äußerst merkwürdig rüber.
Hinter den Kulissen waren einige Mitstreiter unzufrieden mit dem Verhalten des zu diesem Zeitpunkt noch amtierenden AEW-Champions. Aber auch hier gingen die Meinungen auseinander: Ein anderes Lager konnte Punks Verhalten wiederum sehr gut verstehen.
Im Gespräch mit „Sports Illustrated“ erklärte Punk zu einer einseitigen Darstellung der Vorfälle um „Hangman“ und ihn: „Meine Umkleide ist niemals geschlossen. Sie steht immer offen. Jeder, der (Dave) Meltzer irgendwelchen Bullshit schreiben will, kann kommen und mit mir sprechen. Es ist kein männlicher, dummer Bullshit. Ich bin ein Erwachsener. Komm und sprich mit mir.“
Tony Khan versuchte im Interview mit „Busted Open Radio“ zu beschwichtigen: „Es gibt noch ungeklärten Ärger. Das stemmt aus dem World-Title-Match bei ‚Double or Nothing‘, glaube ich. Wir haben diese Angelegenheiten noch nicht zusammengeführt. Es gibt ganz offensichtlich einige Dinge, die seit ‚Double or Nothing‘ in der Luft liegen.“
Während Khan hier versuchte, die Probleme im Rahmen einer Wrestling-Story zu verpacken, bleibt der Backstage-Ärger real. Es scheint, als habe Khan die Kontrolle über seine Top-Stars verloren. Dass sie ihre schmutzige Wäsche vor laufenden Kameras waschen wollen, wirkt nicht gerade professionell, sorgt bei Außenstehenden gewiss aber für Unterhaltungswert.

ZWISCHEN KINGSTON UND GUEVARA FLOGEN DIE FÄUSTE

Page gegen Punk ist der prominenteste, nicht aber der einzige Konflikt hinter den Kulissen.
Vor einigen Tagen ereignete sich eine hitzige Auseinandersetzung zwischen Sammy Guevara und Eddie Kingston. Beide Männer sind nicht nur vor den TV-Kameras Rivalen. Glaubt man verschiedenen Berichten, flogen im Backstage-Bereich sogar die Fäuste.
Sicher ist, dass Kingston für sein Verhalten für mehrere Wochen suspendiert wurde. Das bestätigte Eddie mittlerweile selbst gegenüber „PWInsider“ mit beschwichtigenden Worten: „Ich lag falsch, weil ich mich unprofessionell verhalten habe. An dieser Tatsache gibt es nichts zu rütteln. Er (Sammy) tat, was er tat, und die Öffentlichkeit kann darüber urteilen. Aber ich weiß ganz genau, dass ich mich falsch verhalten habe.“
Auf welches angebliche Fehlverhalten Guevaras der niemals um Worte verlegene Kingston hier anspielt, ist nicht ganz klar. In jedem Fall machte Eddie zuletzt kein Geheimnis daraus, ein Problem mit seinem AEW-Kollegen zu haben. Vor einigen Wochen meinte Eddie in einer virtuellen Autogrammstunde: „Alle Moves, die er zeigt, machen die Bucks besser. Und ich mag die Bucks nicht mal. Ich hoffe, er ist am Mittwoch da. Ich bete zu Gott, dass ich ihn Mittwoch sehe. Ich werde ihn fertigmachen. Ihr haltet das alles für einen Witz. Ihr glaubt, dass ist ein ‚Work‘, weil euch die Insider-Begriffe so gut gefallen. Aber ich mag diesen kleinen Schwanzlutscher einfach nicht.“
Kingston hat sein bisher letztes Match für AEW am 27. Juli bestritten (gegen Chris Jericho unter Barbed-Wire-Death-Regeln). Die Suspendierung soll noch im August enden.
Sammy Guevara bestritt im August zwei Mixed-Tag-Team-Match für „Rampage“, er scheint also nicht suspendiert worden zu sein. Zu Beginn des Monats war noch ein Match zwischen Guevara und Kingston für „All Out“ aufgebaut worden. Ob AEW daran festhält, wird die kommende Woche zeigen.

BAKER UND ROSA: „SIE KÖNNEN SICH NICHT AUSSTEHEN!“

Auch in der Women’s-Division knatscht es an der Spitze ganz gewaltig.
AEW Women’s Champion Thunder Rosa, die am Mittwoch eine Verletzungspause angekündigt hat, war bereits im Juni öffentlich in die Kritik geraten. Sie hatte es ihrer Gegnerin Marina Shafir im wahrsten Sinne des Wortes schwer gemacht und sich in einem Match wenig kooperativ und damit unkollegial gezeigt. Auch wenn dieser Moment als Insider-Witz in den Shows hochgespielt wurde, ist die gebürtige Mexikanerin bei einigen Kolleginnen unbeliebt.
Die deutlichste Kluft soll es zwischen Rosa und AEW-Aushängeschild Dr. Britt Baker geben. „Sie können sich nicht ausstehen, sind bittere Rivalinnen, hassen sich“, sind einige Aussagen über das Verhältnis beider Frauen im Insider-Podcast von „Voices of Wrestling“.
Auch Jamie Hayter könne Rosa nicht ausstehen. Einen guten Grund hat die Britin, nachdem Rosa kürzlich mit einer wenig eleganten Aktion Hayters Nase brach. Rosa soll sich anschließend auf der Toilette vor Hayter versteckt haben, weil sie eine Abreibung befürchtete. Bei „Voices of Wrestling“ weiß man: „Im Locker Room passieren wilde Dinge – und das geht nicht allein um Punk und ‚Hangman‘.“
Unklar ist, mit welcher Art von Verletzung Thunder Rosa nun überraschend pausieren muss. Baker trat in jedem Fall am Mittwoch gleich verbal nach und meinte, sie habe ihren Titel selbst mit einem gebrochenen Arm verteidigt.
Bei „All Out“ wird nun eine Interims-World-Champion zwischen Britt Baker, Jamie Hayter, Toni Storm und Hikaru Shida gekürt.

DRUCK AUF TONY KHAN WÄCHST

Ohne Frage: Tony Khan befindet sich in der schwierigsten Situation seit seinem Einstieg als Wrestling-Promoter.
Der Kader des 39-jährigen ist über die vergangenen drei Jahre massiv gewachsen. Jetzt muss er nicht nur sein Publikum, sondern auch die Egos zahlreicher Wrestling-Topstars befriedigen. Dazu lauert WWE. Dem Marktführer fliegen nach dem Führungswechsel plötzlich wieder die Sympathien zu, stabile TV-Quoten und steigende Ticket-Verkäufe zeigen das.
Dazu spielt WWE ein nicht ganz faires Spiel. Bereits mehrere AEW-Wrestler sollen von WWE angefragt worden sein, ob sie – sobald es die vertragliche Situation zulässt – nicht zum Marktführer zurückkehren möchten. Solche Beeinflussungstaktiken sind bei laufenden Verträgen in den USA jedoch höchst illegal. Wie „PWInsider“ berichtet, habe Khans Anwältin bereits eine warnende E-Mail an die WWE-Geschäftsführung, Nick Khan und Stephanie McMahon, verschickt.
Doch die Spielchen gehen noch weiter: Es mag dem Zufall geschuldet sein. Dass WWE aber ausgerechnet am „All Out“-Sonntag, dem 4. September, in den Stunden vor AEW-Pay-Per-View einen (weitgehend) kostenfreien Live-Special-Event des NXT-Kaders platziert, riecht nach einer klassischen McMahon-Taktik. Ganz nach dem Motto: Wer bei uns bereits drei Stunden Wrestling sieht, hat danach vielleicht schwindendes Interesse, für eine weitere Übertragung gleich noch 50 US-Dollar zu berappen.
WWE-Spielchen hin oder her: Tony Khan muss zuallererst vor der eigenen Haustür kehren. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Khan zuletzt enttäuscht hat, was die kreative Gestaltung seiner Shows angeht. Zwar waren die Pay-Per-Views „Double or Nothing“ im Mai und „Forbidden Door“ im Juni ordentlich bis sehr gut. Doch der Aufbau beider Shows ließ zu wünschen übrig. Und auch hinter der Gestaltung von „All Out“ stehen große Fragezeichen. Anderthalb Wochen vor dem Event in Chicago gibt es keinen zugkräftigen Main Event. Auch die treusten AEW-Fans dürften der Meinung zustimmen, dass die Promotion seit März erzählerisch massiv nachgelassen hat.
In den kommenden Monaten wird sich Khan als echter Boss und Anführer der eigenen Wrestling-Mannschaft beweisen müssen. Gleichzeitig wird der Kampf um die Zuschauergunst mit der Triple H-Version von WWE zunehmen. Und nebenbei muss Tony Einschaltquoten abliefern, denn schon bald geht es für ihn um die TV-Zukunft mit ausstehenden Vertragsverhandlungen.
Das Geschäft, auf das sich Tony Khan Anfang 2019 eingelassen hat, ist mittlerweile deutlich komplexer als noch vor einem Jahr. Jetzt muss der Milliardärssohn den Beweis antreten, mehr als ein One-Hit-Wonder im Pro-Wrestling zu sein.

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