Zeit für eine kleine Zeitreise mit einem der denkwürdigsten Superstars seiner Generation.
Bray Wyatt vs. Daniel Bryan / Foto: (c) Bill Otten
HUSKY HARRIS
Der spätere Bray Wyatt kam mit den sportlichen Vorschusslorbeeren ins Pro-Wrestling. Als Amateurringer wusste er 2005 an der High-School in Florida zu überzeugen. Danach strebte er eine Karriere im Football an und spielte am College. Das hatte sein Vater Mike übrigens auch schon getan. Wie der Vater, so der Sohn – galt dann auch fürs Profi-Wrestling. Bei Florida Championship Wrestling machte er als Alex Rotundo auf sich aufmerksam. Hier probierte er später sein erstes Horror-Gimmick: Als Axel Mulligan trat er kurzzeitig mit einer billige Hockeymaske auf. Wie der Bösewicht aus einem Teenie-Horrorfilm. Das war jedoch eher zum Lachen.
Im Juni 2010 sahen die Zuschauer der damaligen Talent-Show „NXT“ erstmals: Husky Harris. Seine stämmige Körperstatur ging nicht nur aus seinem Namen hervor („Husky“), auch wurde darauf aktiv angespielt. Als Teil von The Nexus hatte er seinen Platz im Kader, später bei The New Nexus mit Michael McGillicutty im Team. Bei WWE war man aber der Ansicht, dass noch mehr Training von Nöten sei. Nach einem Angle mit Randy Orton, der beiden Männern den RKO verabreichte, wurde das „Husky Harris“-Gimmick begraben – und Rotunda zurück zu Florida Championship Wrestling (ging später in NXT auf) zurückgeschickt.
DIE URSPRÜNGLICHE WYATT FAMILY
Das Gimmick um die Wyatt Family entstand noch beim NXT-Vorgänger FCW. Im April 2012 tauchte Wyatt erstmals mit Hawaiihemd und Hut auf, bekanntermaßen angelehnt an Robert DeNiros Rolle in „Kap der Angst“. In der Ursprungsfassung war ein bärtiger Herr namens Eli Cottonwood an seiner Seite. Nach einer Verletzung und der Transformation in NXT sahen wir die echte Wyatt Family dann aber mit Luke Harper und Erick Rowan. Dieses Trio funktionierte, ihre Chemie transportierte sich in den Arenen und über die Fernsehbildschirme. Im November 2012, also schon bald vor 9 Jahren, ging das Bündnis an den Start.
Bereits im Sommer 2013, in der Zwischenzeit konnten Harper und Rowan die NXT-Tag-Team-Titel gewinnen, holte sich Vince McMahon diesen Stable in seine Shows. Und die Fans waren heiß darauf! Wyatts erster Gegner war ein etablierter Horror-Charakter: Beim SummerSlam 2013 gab es damals ein „Ring of Fire“-Match, Wyatt siegte von Flammen umgeben.
Im Herbst sahen wir eine Fehde mit Daniel Bryan und CM Punk. Später schloss sich Bryan als Teil der Story kurzzeitig den Wyatts an. Diese Nummer ging aber schief. Es gab im Frühjahr 2014 erstmals die Begegnung mit The Shield – dieses Duell der Stables war ein Traumszenario und wurde von den Fans gefeiert. Bei WrestleMania XXX erhielt Wyatt dann die ganz große Bühne mit dem Match gegen John Cena, das allerdings nicht zu seinen Gunsten ausging. Dafür konnte Bray immerhin ein Steel Cage Match mit Hilfe seiner Family beim nächsten Pay-Per-View gewinnen.
Im Sommer 2014 folgte eine Fehde mit Chris Jericho. Die Rivalität entschied Wyatt für sich. Er verlor zwar bei Battleground, gewann dann aber Matches beim SummerSlam und nachfolgend bei Raw in einem Steel Cage Match. Für den darauffolgenden Herbst stand die Entscheidung fest: Wyatt sollte allein weitermachen, er ließ seine Untertanen Rowan und Harper in die Welt ziehen. Bray brachte seinerseits Zaubertricks und ruinierte Dean Ambrose ein Hell in a Cell Match gegen Seth Rollins.
THE NEW FACE OF FEAR
Jetzt war Bray Wyatt erstmals solo bei WWE unterwegs. Das Jahr 2015 startete für ihn siegreich gegen Dean Ambrose. Eine auffällige Performance beim Royal Rumble zeigte anschließend: Mit dem Kerl ist zu rechnen! Wyatt bezeichnete sich fortan als „das neue Gesicht der Angst”. Eine Hinleitung zu einem WrestleMania-Match mit dem Undertaker.
Die Wyatt Family mit Erick Rowan, Bray Wyatt und Luke Harper / Foto: Bill Otten
Für den Deadman war die 31. Mania eine spezielle Ausgabe. Denn in Kalifornien wollte er sich von der Lesnar-Niederlage aus dem Vorjahr rehabilitieren. Wyatt und Taker erhielten bei der Open-Air-Mania auffällige Auftritte: Wyatt wurde von Zombies flankiert. Das Match war okay – endete allerdings mit einer Niederlage für das „New Face of Fear“. Eine Wachablösung war es mit anderen Worten nicht. Dafür gewann Bray zumindest noch beim übernächsten Pay-Per-View („Payback“) gegen Ryback. Doch das sollte es auch mit diesem Lauf als Einzelakteur gewesen sein, da sich WWE entschloss, die Wyatt-Familie doch wieder zusammenzubringen.
DIE NEUE WYATT FAMILY
Die Rückkehr der Wyatts kam mit einem Knall: Mit Hilfe von Luke Harper funktionierte ein Sieg über Roman Reigns bei Battleground 2015. Kurze Zeit später war auch Erick Rowan wieder mit dabei. An dieser Stelle kam dann ein schwarzes Schaf (so benannt wegen einer Maske, die er trug) in das Stable: Braun Strowman. Das kaschierte die Tatsache, dass die Fehde gegen Roman (in einem Hell in a Cell Match) letztlich mit einer Niederlage endete. Bitter: Einen Monat später mussten Wyatt und Harper als Opfer für die Brothers of Destruction bei der Survivor Series herhalten. Zum zweiten Mal in einem Jahr hatte Wyatt also den Kürzeren gegen den Deadman gezogen. Erneut keine Wachablösung.
Die Geschichte der Wyatt-Familie zog sich durch 2016. Zum Beispiel mit einer Begegnung mit The Rock bei WrestleMania oder einer Rivalität mit der League of Nations. Aufgrund einer Verletzung bei Bray wurde aus der Story ein Rohrkrepierer. Eine Auseinandersetzung mit The New Day interessierte ebenfalls nur am Rande.
Die Wyatt Family macht gemeinsame Sache mit Randy Orton / Foto: Bill Otten
Der erste Draft seit mehreren Jahren brachte eine Trennung der bisherigen Gruppe: Braun Strowman blieb bei Raw. Er wurde für seine Einzelkarriere bereit gemacht, für Wyatt und Harper ging es zu SmackDown. Bray Wyatt fehdete mit Randy Orton. Aus den Psychospielchen ergab sich allerdings ein Tag Team. Und mit dem aus einer Verletzungspause zurückkehrenden Luke Harper entstand wiederum eine neue Wyatt Family – jetzt eben mit Wyatt, Harper und dem „Legend Killer“. Zu dritt wurde die SmackDown Tag Team Championship gehalten. Erst der Verlust an American Alpha brachte den Bruch im Teams, Orton wandte sich von Wyatt ab.
Bray spielte 2017 allerdings ganz oben mit: Im Februar gewann er erstmals den WWE-Titel in einem Elimination Chamber Match. Das gipfelte im Titel-Match mit seinem Spezi aus den vorangegangenen Monaten: Randy Orton, der in Orlando bei WrestleMania Champion werden sollte. Die Geschichte blieb im Gedächtnis: Weil Randy die Hütte der Wyatts abfackelte und das Match bei der größten Show des Jahres dann auch nicht gerade erste Sahne war. Der Bonus, ein House of Horrors Match, in einem abgelegenen Spukhaus, war das i-Tüpfelchen. Spätestens jetzt konnte ein Schlussstrich unter die klassische Wyatt-Family-Gruppierung gezogen werden.
THE DELETER OF WORLDS
Die Fehde mit einem anderen wirren Charakter, „Broken“ Matt Hardy, die bereits im Herbst 2017 begann, brachte Bray ein einschneidendes Erlebnis: Er landete im März 2018 im „Ultimate Deletion“-Match auf dem Anwesen der Hardys im „See der Wiedergeburt“. Wyatt verschwand – bis WrestleMania 34. Und dort half er Hardy dann in der André the Giant Memorial Battle Royal zum Sieg.
Daraus erwuchs ein Babyface-Team. Der größte Erfolg war der Gewinn der Raw Tag Team Championship beim Greatest Royal Rumble, dem ersten Stadion-Event in Saudi-Arabien. Die Tag-Team-Freuden hielten nur kurz. Wenige Wochen später, bei Extreme Rules, ging das Gold an Curtis Axel und Bo Dallas, damals unterwegs als B-Team. Die „Deleter of Worlds“ unterlagen – und gingen kurz danach wieder getrennte Wege. Bis heute bleibt’s eine kuriose Tag-Team-Kombination.
FIREFLY FUNHOUSE
Ein gutes Dreivierteljahr hörten wir nichts mehr von Bray Wyatt. Erst am Abend nach WrestleMania, im April 2019, sahen wir plötzlich einen merkwürdigen Clip bei Raw, der uns in seine neue Puppenwelt entführte. Bald erlebten wir mit eigenen Augen, dass Bray einen Persönlichkeitswandel durchgemacht hatte und im vermeintlich freundlichen Funhouse – mit einem dämonischen Unterton – die Kinder und Junggebliebenen erfreute. Ganz im Stil des amerikanischen Kinderfernsehens früherer Generationen („Mr. Rodgers“).
Zu Wyatts neuen Freunden gehörten die sprechenden Puppen Ramblin‘ Rabbit, Huskus the Pig (angelehnt an Brays erstes Gimmick Husky Harris), Mercy the Buzzard und Abby the Witch. Ja, im Laufe der Zeit sahen wir sogar die Puppen-Version von Mr. McMahon im Funhouse. Der auf den ersten Blick freundlich wirkende Bray Wyatt trat dann und wann aus dem Funhouse heraus. Wenn er Matches bestritt, blieb es für die gegnerischen Superstars eine lösbare Aufgabe.
THE FIEND
Ganz anders sah es wiederum aus, wenn „er“ auf der Bildfläche auftauchte: The Fiend. Hinter der Maske des Unholds steckte Bray, auch wenn er uns etwas anderes suggerieren wollte. In jedem Fall eine gespaltene Persönlichkeit. Der erste Auftritt beim SummerSlam 2019, wo der Fiend binnen weniger Minuten Finn Bálor besiegte, blieb für viele Fans ein unvergesslicher Auftritt.
Manche WWE-Superstars fürchteten sich gar vor dem Fiend, so zum Beispiel Seth Rollins. Die Auseinandersetzung im Herbst 2019 mündete in einem absurden Hell in a Cell Match, wo Wyatt einen überdimensionalen Hammer auspackte, während die Halle in rotes Licht getränkt wurde. Dass dieser Fiend unbesiegbar schien, konnte auch nur im Kontext der wilden Welt des Wrestlings erklärt werden. Am 31. Oktober gewann der Fiend dann sogar die Universal Championship von Rollins in Saudi-Arabien.
Lange vermutete man, der Fiend würde bis WrestleMania Champion bleiben, wo sich dann Roman Reigns als letzte Instanz an diesem unlösbar wirkenden Problem versuchen sollte. Doch kurz vor WrestleMania entschied man bei WWE anders – und gab Bill Goldberg beim Saudi-Arabien-Event im Februar den Universal-Titel. Das Eigengewächs war gegen den Altstar ausgetauscht worden – ein Move, von dem sich Bray Wyatt bzw. der Fiend nicht mehr erholen sollten. Eine unfassbare Demontage zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.
In der einsetzenden Pandemie war dann alles anders – und vor allem absurder: Bray musste sich in einem merkwürdigen Kurzfilm bei WrestleMania mit John Cena im Firefly Funhouse auseinandersetzen. Dann kämpfte er im leeren Performance Center gegen den neuen Universal Champion Braun Strowman, wo plötzlich die Puppen im leeren Zuschauerraum auftauchten. Später verlagerte sich die Rivalität in die Sümpfe Floridas. Und schließlich wurde eine Auseinandersetzung mit Randy Orton so persönlich, dass Bray Wyatt – kurz vor Weihnachten – in Flammen aufging. Das abschließende Comeback bei WrestleMania im April 2021 setzte einen Schlusspunkt.
Nach über einem Jahr Zwangspause könnte schon bald das nächste Wyatt-Kapitel geschrieben werden.
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